Besuch in der Traumfabrik: 300 SL Roadster und Flügeltürer bei HK-Engineering

Nicht dein Ernst, oder? Ein Bericht über den W198, den legendären 300 SL, der Renngeschichte schrieb und noch heute ein ernstzunehmender Sportwagen ist? Ein Auto, das mein geliebtes Heckflossen-Coupé komplett in den Schatten stellt? Schließlich ist dieser Blog meinem 220 SEb gewidmet.

Stimmt. Der SL hat hier eigentlich nix verloren. Da es aber so ein paar Anmutungen (Armaturen beispielsweise) von meinem 220 SEb zum sagenumwobenen 300 SL gibt, erlaube ich es mir doch. Außerdem möchte ich gerne ein paar Bilder, die ich bei HK-Engineering gemacht habe, „öffentlich speichern“. Denn ich denke, ich bin einer der häufigsten Leser dieses Blogs – vor allem in den kalten Tagen, an denen wir wetterbedingt Oldiefasten müssen.

Gemeinsam mit den Auto-Enthusiasten von Florian Nettesheims DRIVEN-tours besuchte ich HK-Engineering im bayerischen Polling. Das ist eigentlich ein nettes, bayerisches Dorf, auch heute noch. So mit Biergärten, Blasmusik und viel Tradition. Allerdings herrscht dort die vermutlich höchste 300 SL (W198) Dichte weltweit. Ursächlich dafür ist Hans Kneisel, der Gründer von HK-Engineering, der dort Ende der 70er ein abbruchreifes Kloster gekauft hat und es seither für diese Träume auf Rädern nutzt.

Einer von zwei 300 SL Rennwägen (von HK) – und ich mitten drin

Unsere erste Station war ein kleiner Raum, indem eine echte Bestie unter Verschluss steht – ein 300 SL Rennwagen in mattiertem grau. Das Auto hat alles, was man von einem Rennwagen erwartet – viel Power, einen Sicherheitskäfig, wenig Gewicht und viele Emotionen.

Dieses Auto kann jeder der mag für echte Renneinsätze mieten. Allerdings schränkt sich die Zielgruppe potenzieller Mieter auf wenige zahlungskräftige Kunden ein. Ich meinte – sehr zahlungskräftige Menschen. Jedenfalls so fett, dass der Wagen auch gerne mal abfliegen darf. Wird dann selbstverständlich wieder repariert.

Näher werde ich dem Flügeltürer wohl nicht mehr kommen. Natürlich nutze ich dieses Bild sofort fürs eigene Business. Vielleicht steigert das die Auftragslage derart, dass ich mir das Ding auch mal ausleihen kann.

Große Kinderaugen von erwachsenen Männern

Dann ging´s in einen Showroom, indem wir staunen durften und „Tuchfühlung“ (anfassen durften wir nichts) erhielten. Markus, unser SL-Guide, zeigte uns ein paar Besonderheiten und Genialitäten des Autos. Er führte uns außerdem später noch einen Stock tiefer – in eine Art Lagerhalle für Männerträume. Aber was erzähle ich da – schau einfach selber:

Eine Augenweide

Wunderschönes Interieur. So ähnlich sieht das auch im 190 SL aus, der in Adaption dieses Autos gebaut wurde.

Natürlich wurde der 300 SL immer und ausschließlich handgeschaltet – eine echte Herausforderung für die automatikfahrenden Amerikaner (die die meisten der 300 SL gekauft haben).

Wer heute unbedingt ein modernes 5 Gang Getriebe in seinem SL haben möchte, bekommt von HK eines von einem alten 5er BMW eingebaut.

Wie kommt Mann mit Ranzen in den SL?

Bequem einsteigen kann man in den Gullwing nicht wirklich. Damit der geneigte Fahrer trotz Wohstandsbäuchleins einigermaßen sportlich Platz nehmen kann, ist das Lenkrad klappbar. Wie sähe es denn sonst aus, wenn die Dame des Herzens zuschauen würde…

Prima Klima

Luftauslass oberhalb der Heckscheibe. Der gehört zur „mechanischen Klimaanlage“. Durch einen Hebel auf der Beifahrerseite können die Lüftungsklappen so gestellt werden, dass die Außenluft direkt übers Lüftungsgitter an der Windschutzscheibe ins Innere des Wagens ein- und hinten wieder ausströmen kann. Denn im Auto wurde es richtig warm. Eine thermische Wärmedichtung vom großen Motor zum Fußraum des Autos gab es nicht.

Bahn frei!

Schicke Uhr. Es geht aber um den kleinen, chromfarbenen Knopf darunter. Das war ein Hupknopf. Denn wenn der Fahrer mit über 200 Sachen über die Autobahnen der 50er Jahre bretterte, brauchte er beide Hände am Lenkrad. Der/die Beifahrer/in musste hupen.

Es gab übrigens als Sonderausstattung einen weiteren Schalter – den „Autobahnräumer“. Der hupte akustisch und per Scheinwerfer. Das war damals kein so Ärgernis wie heute, denn die allermeisten anderen Autos waren vielleicht mit max. 120 km/h unterwegs und hatten mit der Geschwindigkeit freie Bahn. Bis halt plötzlich ein 300 SL mit Vmax im Rückspiegel sehr schnell größer wurde.

Handschmeichler

Ein Nardi-Lenkrad für den 300 SL. Habe ich noch nie gesehen.

Wie elegant Mercedes in den 50gern 215 Pferdestärken unterbrachte

Während ich hier im Blog stolz das „Kraftwerkchen“ M127 meines 220 SEb Coupés beschrieb, werkelt hier ein hochgezüchteter 3-Liter 6 Zylinder. Der bringt auch heute noch ordentlich Dampf und Drehmoment.

Reisen mit Stil

Direkt unter der Heckscheibe des Flügeltürers befand sich die „Koffermulde“ Denn hinten war nebst Ersatzreifen, Wagenheber und Bordwerkzeug kaum Platz für Gepäck. Deshalb wurden spezielle Koffer entwickelt, die die Rundung des Hecks gestalterisch aufnahmen und so ideal den Platz nutzen konnten. Selbstverständlich bestand das Innenfutter der Koffer aus dem Design der Stoffsitze des Wagens.

Man erkannte also den 300 SL Fahrer nicht nur am Auto, sondern auch am Gepäck.

Ist das Kunst oder kann das weg?

Das Problem bei vielen Oldtimern ist der Zahn der Zeit. Denn der nagt heftig an allem irdischen, auch an Legenden. Die meisten Oldie-Freaks, die ich kenne, lieben deshalb patinierte Autos genauso wie ich.

Leider ist schöne Patina selten, weil manches wirklich nach über 60 Jahren so kaputt ist, dass es ersetzt werden muss (brauchte mein Coupé bereits nach 50 Jahren). Aber manchmal findet man wunderschöne, fast naturbelassene Fahrzeuge. Die schönste Patina im 300 SL gehört einem Münchner Arzt – was aussieht wie Wurzelholz ist einfach richtig altes Leder.

Hier gibt´s noch richtige Mechaniker – keine Mechatroniker

Was das Heiligste bei HK-Engineering ist, habe ich nicht heraus gefunden. Ganz vorne dabei ist aber sicher die Werkstatt. Eben da, wo teilweise komplett zerstörte Autos mit miserablen Zuständen wieder in Bestform auf die Straße gebracht werden. Teilweise wurden dort Autos restauriert, die Jahrzehnte lang vergraben waren.

Funfact

Damals wie heute hat man sich rassige Sportwägen fürs eigene Image gekauft, um andere zu beeindrucken. Ein italienischer Gigolo hat seinen Wagen getuned. Laut Tacho lief seine Kiste ganze 360 km/h (anstelle lächerlichen 270 km/h bei den Serienfahrzeugen). Allerdings hat er lediglich die Tachoscheibe „frisiert“. Der Rest des Autos ist so, wie es Mercedes geschaffen hat. Bei HK kann man´s bewundern.

Preise gestern und heute

Ein solches Auto hat heute gut und gerne 1,5 Mio. aufwärts wert. Je nach Zustand, Historie und Vorbesitzer. Wer genug gespart hat, kann hier bei HK-Engineering Wünsche züchten.

Als der Flügeltürer (300 SL Coupe) und der Roadster aktuelle Modelle waren, kosteten sie natürlich nicht ganz soviel. Trotzdem mit 32.500 DM unerschwinglich für Normalsterbliche. Man bedenke – ein VW Käfer kostete 1954 ganze 3.790 DM.

Glanz und Glamour in Schalensitzen

Eine ganz besondere Sammlung befindet sich außerdem in der Pollinger SL-Werkstatt. Nämlich zahlreiche Bilder von bekannten Persönlichkeiten, die entweder einen 300 SL fuhren oder sich damit schmückten. Hier eine Auswahl davon.

Sophia Loren übrigens soll in einen Interview behauptet haben, der SL wurde nach ihren Namensinitialen benannt. Sehr selbstbewusst, die Dame.

Danke an HK-Engineering. Fotografieren war ausdrücklich erlaubt, solange wir keine HK-Kollegen oder Nummernschilder zeigen.

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